pro.log „Wie jede andere hier“

Der pro.log am 2. November, dem Allerseelentag, zu „Wie jede andere hier“ war so außergewöhnlich wie das Stück selbst. Die Autorin Viola Rohner, die Dramaturgin Romana Lautner, aber auch Kristina Lotta Kahlert als Margot Spiegel und Jonas Petzold als Bruder, Vater, Franz nahmen das zahlreich erschienene Publikum mit auf die spannende Entstehungsgeschichte dieses Theaterstücks. Über zwei Jahre Recherche in Archiven, Büchern, die Begegnung mit Nachfahren von Margot Spiegel und der Speditionsfamilie Spiegel ergaben Informationen, Bilder, Geschichten, aus denen dann das Stück wurde. Auch die Beteiligung von Jugendlichen floss in die Arbeit ein. Das Publikum war sichtlich betroffen von all den Informationen, von dem Stück und von dem Engagement und der Begeisterung der Mitwirkenden. Fragen und persönliche Erlebnisse bereicherten das Gespräch. Herr Müller-Neff regte an, einen entsprechenden Beitrag über die Geschichte der Spiegelhalle und ihrer Namensgeber in die Homepage des Theaters aufzunehmen. Ein Projekt, das sicher von Romana Lautner und den Theaterfreunden aufgegriffen wird.

Das Theater hat anhand der Geschichte der Margot Spiegel und ihrer Freundin Emy hiermit einen großen Beitrag zur Konstanzer, zur deutschen Geschichte geleistet. Die Aktualität, die Gefahr, dass aus dem „Nie wieder“ ein „Wieder“ entsteht, schwingt in diesem Stück, das 1.700 Jugendliche gesehen haben werden, immer mit.

Viele Anwesende wollen das ausverkaufte Stück noch sehen, Romana Lautner machte Hoffnung auf eine Wiederaufnahme im nächsten Jahr und gab Tipps, wie man vielleicht noch an eine Karte kommt.

Verleihung des Theaterpreises 2025 / 2026

Am Freitagabend, nach der Dreigroschenoper, haben wir unseren Preis für die beste schauspielerische Leistung verliehen. Vor großer Kulisse und mit voll besetztem Zuschauerraum erhielt Anne Rohde den mit 1.000 € dotierten Preis für ihre Performance in „NINA Mother of Punk“. Ich konnte ein paar Stimmen unserer Mitglieder verlesen und Anne Rohde erhielt frenetischen Applaus und stehende Ovationen.

Anschließend wurden die 700 €, die drei Mitglieder unseres Vereins großzügig für eine Ensemblefeier gespendet hatten, an die Ensemblesprecherin Lotta Kahlert übergeben. Die Freude war groß.

pro.log „forecast : ödipus. living on a damaged planet (τύφλωσίς, II)“

Wissen wir, was wir sehen? Mit dieser hochaktuellen Frage eröffnete Heike Brandstädter ihren Vortag und zugleich den Blick auf die Komplexität von Zeichen: Was bedeutet der schwierige Titel von Thomas Köck? Diese Frage führte zunächst in die Vergangenheit des Stücks: auf den Mythos und die griechisch-antike Fassung von Sophokles – und damit auf die Unterschiede von Original und Übersetzung, Neufassung und Überschreibung. Ein Exkurs zu anderen Fassungen seit dem 18. Jahrhundert machte die Bandbreite des Ödipus-Themas deutlich.

Weil das Sehen und sein Gegenteil, die Blindheit, ein Hauptmotiv der Erzählung ist, das alle Figuren miteinander verbindet, wurde auf dieses Motiv intensiv eingegangen. Naturgemäß erhielt Ödipus als Hauptfigur besondere Aufmerksamkeit. Ist Ödipus ein verschlepptes, misshandeltes Kind? Ein Vaterloser? Ein Vatermörder? Einer, der ein schweres Erbe trägt? Oder der es mitverschuldet hat? Ist er ein selbstloser Erlöser? Oder ein Egomane, ein Autokrat, „bigfoot Ödipus“, der nicht sehen, nicht wissen will? Und: welche Art von Schuld kommt Ödipus, welche den anderen Figuren zu? Dies ließ sich an ausgewählten Textstellen aufzeigen.

War bei Sophokles die Pest noch das Grundübel gewesen, so ist bei Thomas Köck der Mensch selbst die Krankheit. Das Stück lotet über seine Figuren zwar verschiedene Weisen des Umgangs mit dieser Krankheit aus, nimmt aber dem Publikum die Entscheidung nicht ab, was, wie Heike Brandstädter herausstellte, gerade großes Theater ausmacht. Im anschließenden Gespräch mit den Ensemblemitgliedern Ulrich Hoppe und Ruth Macke sowie der Dramaturgin Carola von Gradulewski wurde thematisiert, wie man sich in die überaus komplexen Rollen und Texte hineinfindet, aber auch die Drahtseilakte des Bühnenbilds meistert. Erneut war es eine hochanregende, gehaltvolle Veranstaltung, die von unserem Vorstandsmitglied Renate Schwalb anregend und klug moderiert wurde.

TriebWerk: Text, Text, Text

Text, Text, Text: Unter diesem Motto stand unser letztes TriebWerk der laufenden Spielzeit. Moderiert von Carola von Gradulewski stellten sich Sara Siri Lee König und Ulrich Hoppe unseren Fragen wie:

  • Wie lernen die beiden ihre Rollentexte?
  • Welche Rolle spielt die Qualität eines Textes, seine Sprache und sein Rhythmus?
  • Wie schaffen sie es, verschiedene Rollentexte gleichzeitig zu behalten?
  • Wie geht man mit Textpannen um?
  • Was unterscheidet Wiederaufnahmeproben von Proben bei Neuinszenierungen?
  • Wie wichtig ist eine Soufflage für die Proben und den Spielbetrieb und warum empfinden die beiden es als Skandal, dass diese Funktion an den Schauspielhäusern in der Regel aus Kostengründen nicht mehr besetzt wird?
  • Was versteht man unter einem italienischen Durchlauf?

Ein extrem spannendes TriebWerk für das sich die beiden Schauspielenden zur Verfügung gestellt haben und uns dabei teilweise sehr persönliche Einblicke in ihre Herangehensweisen gewährten.

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an alle an diesem Format über die Jahre beteiligten Mitarbeitenden des Stadttheaters Konstanz, die für uns immer wieder diese intensiven Blicke in ihr TriebWerk ermöglichen.

Aus- und nachklingen ließen wir die Veranstaltung anschließend beim Apéro wieder in der Blende 8, den das dortige Team wie gewohnt perfekt für uns organisiert hat.

pro.log „Zur schönen Aussicht“

Hauke Pockrandt, der kurzfristig als Gastdramaturg die Dramaturgie zu dieser Inszenierung übernahm, führte in das Stück ein. Horváth nenne dieses und auch seine anderen Stücke Komödien, aber es seien Komödien, bei denen einem das Lachen im Halse steckenbleibe. In diesem Stück schafft er eine groteske Parallelwelt, ein verzerrtes Abbild seiner Zeit, das erstaunlich viele Fenster zu unserer Gegenwart – immerhin 100 Jahre später-öffnet. Das Stück zeigt die Verrohung der Gesellschaft in der Zeit des aufkommenden Faschismus, es erzählt viel über eine männlich dominierte, brutale Gesellschaft. Die Sprache, bestehend aus Floskeln und falschen Zitaten, verrate viel über die dysfunktionale Kommunikation aller, außer Christine. In der anschließenden Diskussion erhielt das Publikum Einblicke in die Erarbeitung einer Rolle, über die Setzung von Schwerpunkten in der Inszenierung. Eine Zuhörerin ging besonders auf das so viel verratende Bühnenbild und die Kostüme ein. Beides, so die Darstellenden, habe ihnen sehr geholfen.

v.l.n.r: es Florian Rummel, der Dramaturg Hauke Pockrandt, Leonard Meschter und Kristina Lotta Kahlert

pro.log zu „Faust“ mit Franz Schwarzbauer

Die zahlreichen Besucher des pro.logs zu „Faust, der Tragödie nächster Fail“ von Juli Mahid Carly erwartete am 30.3. ein interessanter Vortrag von Dr. Franz Schwarzbauer, der über die Rezeptionsgeschichte, die Entstehung und Überschreibung des „Faust“ äußerst kenntnisreich und zugleich verständlich referierte. Was die Konstanzer „Überschreibung“ betrifft, so erkennt Franz Schwarzbauer darin die literarische Form des „Pastiche“.  Diese sei weder so aggressiv wie die Satire noch so penetrant wie die Persiflage. Das Pastiche sei hingegen von einem gewissen Wohlwollen, von einer Hochschätzung (Hommage) für das Original bestimmt.

In der anschließenden Diskussion mit Publikum, der Dramaturgin Romana Lautner und den Darstellenden Sarah Siri Lee König, Partick.O. Beck, Julius Engelbach und Jonas Pätzold erfuhren wir, die wir nicht der Tiktok Generation angehören, sehr viel Interessantes. Hinter dem, was man durchaus als Klamauk empfinden kann, stecke Tiefgründiges, wie vor allem Sarah Siri Lee König eindrucksvoll unterstrich. Spannend seien besonders die Vorstellungen, in denen sich ein sehr junges und das nicht ganz so junge Abo-Publikum treffen. Im besten Fall können beide Seite auf vergnügliche Weise viel lernen, wozu auch der pro.log beitrug.

TriebWerk: Musik und Sound (Nina, Mother of Punk)

Von einer Studioaufnahme zur Live-Performance

Die Umsetzung der weiblichen Punkmusik anhand eigener und gecoverter Songs von Nina Hagen in der Bearbeitung von Isabell und Wulf Twiehaus, schaffte für uns Theaterfreunde am 25. Februar den perfekten Rahmen für ein TriebWerk, um uns in die akustischen Elemente einer Produktion zu vertiefen.

Gemeinsam mit Rudolf Hartmann (Musikalische Leitung), Sabrina Toyen (Dramaturgie) und Sebastian Heiland (Leiter Ton & Video) konnten wir uns eingehend mit den Anforderungen bei der Entwicklung dieses speziellen Konzerts für die Musiker, die singenden Darstellenden und die Tontechnik beschäftigen.

Nach dem Apéro im Foyer des Stadttheaters und einem regen Austausch über das Erfahrene hatten wir abschließend noch die einmalige Gelegenheit, dem finalen Soundcheck von Ensemble, Musikern und Tontechnikern vor der Vorstellung beizuwohnen.

Wer sich dann noch dazu entschlossen hatte, direkt im Anschluss der Veranstaltung das Konzert zu besuchen, dem bot sich beim Sehen und vor allem beim Hören des Konzerts anhand all der Details, die wir erfahren durften, ein Ganzes, das einen begeistert zurückließ, mit «Ist alles so schön bunt (und laut) hier!»