Das war der Bodenseetheatertag 2023

Die Spiegelhalle war erfreulicherweise bis auf den letzten Platz ausgebucht. Die ca. 170 Besucher kamen gut gelaunt und interessiert, bei bestem Sommerwetter. Zum Glück hatte es sich etwas abgekühlt, aber trotzdem wurde es im Laufe des Nachmittags sehr warm, besonders auf den höher gelegenen Sitzen in der Nähe der Scheinwerfer. Die Pause kam genau zum richtigen Zeitpunkt.

Weil die beiden ersten Vortragenden, Ulrich Khuon und Christian Gampert ihre Redezeit von 20 Minuten deutlich überschritten, endete die Veranstaltung erst um 19:45. Die Teilnehmer störte es aber nicht, die Themen waren spannend und die Diskussion mit dem Publikum wäre sicherlich noch länger gegangen, hätte sie der Moderator Johannes Bruggaier nicht abgebrochen.

Von der Gelegenheit, im Foyer und vor der Halle weiter zu diskutieren, wurde reichlich Gebrauch gemacht und es wurden viele Kontakte geknüpft, wie zwischen den Theaterfreunden Konstanz und Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses Zürich, die für die Veranstaltung angereist waren.

Andreas Osner, Konstanzer Bürgermeister für Soziales, Bildung, Sport, Gesundheit und Kultur begrüßte das Publikum. Er entfaltete den „Wertekompass“, an dem sich sein Dezernat ausrichtet. Die vier Punkte sind: den sozialen Zusammenhalt stärken, eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ermöglichen, die Lebensqualität in der Stadt hochhalten und die Vielfalt respektvoll und chancenreich gestalten.

Er zählt Theater zur kulturellen Infrastruktur und damit überhaupt zur Infrastruktur der Stadt, und die gelte es zu erhalten.

Gegen Ende der Ansprache griff er den Gedanken unseres Vereins auf, nämlich dass ein interessiertes, ein kenntnisreiches und auch kritisches Publikum ein Trumpf ist für jedes Theater und erweiterte ihn auf alle Kultureinrichtungen.

Johannes Bruggaier, Leiter der Kulturredaktion des Südkuriers, leitete durch die Veranstaltung und führte das Publikum in das Thema ein.

Er habe schon viele solche Veranstaltungen besucht, die oft ausgingen, wie das berühmte Brechtzitat: „Vorhang zu und alle Fragen offen“. Diesmal könnte es anders sein. Damit weckte er eine positive Erwartungshaltung.

Er nannte vier Gründe. Zunächst das erwachende Interesse nach der pandemiebedingten Schließung der Theaterbetriebe. Zweitens, dass die digitalen Angebote (Netflix & Co) nun definitiv etabliert seien und man deren Effekt kenne. Drittens, dass Künstler heutzutage nicht mehr Kunst als L’art pour l‘art betreiben wollen, sondern mit ihrer Kunst die Welt verändern wollen. Bruggaier betonte, dass das durchaus schiefgehen kann und wies auf die Documenta vom letzten Jahr hin. Als vierten Punkt nannte er die Gleichzeitig all dessen und dass zusammen mit dem erlebten Publikumsschwund ein Interesse an einem Nachdenken über Theater gewachsen sei. Auch dass die klassischen Aufreger früherer Jahre, wie Nackte auf der Bühne, heute kein Thema mehr seien, mache ihm Hoffnung, dass der Nachmittag neue Erkenntnisse bringen würde.

Im Anschluss an die Einführung stellte Johannes Bruggaier die vier Redner mit viel Empathie vor und jeder wurde mit großem Applaus bedacht.

Ulrich Khuon ist natürlich stadtbekannt und konnte viele alte Freunde und Weggefährten im Publikum ausmachen. Er knüpfte in seiner Rede auch an diese alten Zeiten an und spannte einen Bogen zu der Molière-Inszenierung am Münster, die er tags zuvor besucht und die ihm sehr gefallen hatte. Zug um Zug arbeitete er sich von diesen Erlebnissen zu seiner ersten These vor, nämlich, dass es beim Theater nicht um die großen Effekte gehe, sondern um die „kleinen Erschütterungen des Sozial- und Seelengefüges“.

Dieser Gedanke, den er einem Aufsatz von Dirk Baecker entnommen hatte, schimmerte immer wieder auf. Theater leiste einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs, aber nicht dadurch, dass auf der Bühne politische Antworten auf gesellschaftliche Fragen gegeben werden, sondern dadurch, dass es den Debattenraum erweitere und die Menschen offener und „weicher“ mache.

Khuon referierte interessante Zahlen aus einer, seiner Meinung nach, viel zu wenig beachteten Studie der Bertelsmannstiftung. Die Studie bestätigt den hohen Rückhalt, den Kulturförderung in Deutschland genießt, auch bei Menschen, die dieses Angebot nicht annehmen. Die Studie weist aber auch darauf hin, dass viele junge Menschen finden, dass das Kulturangebot sich nicht an sie richte. Das gab Khuon die Gelegenheit, auf die Gründung des Jungen Theaters in Konstanz zurückzublicken und die viele gesellschaftlichen Vernetzungen des Theaters in die Stadtgesellschaft zu loben.

Am Ende seines Vortrags fasste er seine Überlegungen zum Theater in vier Punkten zusammen. Erstens, dass der immer wieder geführte übergreifende Theaterdiskurs gar nicht so wichtig sei; viel wichtiger sei das jeweilige Theater vor Ort, dass seine Beziehung zu der Stadt entwickele. „Die, die hier Theater machen, die sind entscheidend und nicht der überwölbende Diskurs“.

Als zweiten Punkt betonte Khuon, dass Theater stets überraschen sollte (ohne den Wunsch nach Gewohntem abzuwerten). Er erzählte von neuen Formaten, wie Nathan-To-Go in Düsseldorf. Er betonte die Bedeutung des Spielorts und berichtete von früheren Ausflügen mit Ensemble und Publikum in die Umgebung der Stadt.

Der dritte Aspekt war, dass Theater, obwohl es stets um Gedanken gehe, durch die physische Präsenz der Schauspieler lebte. Zuletzt betonte er, dass Theater immer „radikal sozial“ sei, weil es immer darum gehe, die Energie von allen Beteiligten auf ein Ziel zu bündeln.

Die vielen Detailausführungen zu jedem Punkt würden den Rahmen einer Zusammenfassung sprengen, ließen die Zuhörer aber begeistert applaudieren.

Christian Gampert oblag es, das nötige Salz in die Debatte zu streuen.

Er begann mit einem Lob der deutschen und deutschsprachigen Theaterlandschaft, nämlich dem, dass dies die weltweit am besten subventionierte sei und gesicherte Arbeitsplätze biete, vernünftige Probezeiten habe und frei sei von staatlicher Beeinflussung. Und das in beinahe jeder größeren deutschen Stadt. Doch was macht das Theater mit diesem großen Freiraum?

Hier setzte Gampert an und geißelte die vielen Auswüchse von immer bombastischeren Inszenierungen, von unsinnigen Debatten über Repräsentation im Theater, Überschreibungstheater und vielem mehr. Die Gesellschaft gebe den Theaterleuten Geld, damit diese Theater machen, die Theaterleute wollten aber mehr, nämlich Politik machen. Und nun ginge beides schief, denn von der Komplexität der realen Politik hätten die Theatermacher kaum Ahnung und, wegen der Konzentration auf Weltverbesserung sinke die ästhetische und künstlerische Höhe.

Auch mit den Inhalten des heutigen Theaters konnte Gampert sich nicht anfreunden. Früheres Theater, Stichwort 68er, Claus Peymann, Peter Stein oder Peter Zadek, Xaver Kroetz hätten noch klassisch Texte befragt und versucht, den Herrschenden auf die Füße zu treten. Heutiges Theater segle „hart am Zeitgeist“. Das Theater, so seine Diagnose, vertrete im Grunde die gleichen Meinungen wie die Regierung, die Zeitung und die Tagesschau. „Das Theater ist völlig einverstanden mit der politischen Klasse.“

Heutiges Theater behandle Großstadtthemen, vernachlässige die einfachen Leute. Wer dauernd nur Theater für Minderheiten mache, würde irgendwann auch nur Minderheiten ins Theater bekommen.

Gampert wusste über eine Fülle von Beispielen zu berichten, wie Inszenierungen scheitern, wie sich Regisseure verirren. Ein wichtiges Beispiel war ihm die Intendanz von Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann in Zürich, die in seinen Augen krachend gescheitert ist. Das war natürlich hochaktuell, denn Ulrich Khuon beerbt ja bald die beiden Intendanten für eine Übergangszeit. Dass die Vertreter der Züricher Theaterfreunde eine andere Sicht auf die Abläufe haben, zeigte sich später in der Diskussion.

Auch Gampert kam am Ende auf die Frage, was denn gutes Theater sei. Er sieht ihn in der Schauspielerei und den Effekt auf das Publikum, alle anderen Funktionen im Theater hätten demgegenüber nur eine dienende Funktion.

Karin Becker berichtete zunächst von ihrem Erleben am Anfang ihrer Intendanz, wie es ihr gelang, die frustrierende Zeit der Theaterschließung und der andauernden Ungewissheit, wann es wieder weitergehen würde, durchzustehen. Sie las immer wieder Passagen aus ihren Mitarbeiterbriefen vor, die mal Euphorie, mal aufkommende Verzweiflung ausdrückten.

Sehr eindrücklich erzählte sie, wie es für sie und vor allem für die neuen Mitarbeiter war, in eine Stadt zu kommen und keine Bekanntschaften aufbauen zu können. Manche Mitarbeiter lernten sich erst nach ein, zwei Jahren kennen, als der Theaterbetrieb wieder Fahrt aufnahm.

Die Zeit konnte aber auch genutzt werden, unter anderem um das „Theater hinter Gittern“ neu aufzustellen. Die ungewohnte Situation setzte kreative Kräfte frei, erzählte die Intendantin. Mit „Krise als Chance“ mochte sie die Situation zwar nicht beschönigen, doch listete sie mit Freude die Aktionen während der Zwangspause auf: Popup-Theater, „Telefongeschichten“, digitale Proben, Streaming, Stadtspaziergänge, Kooperationen, Tiktok, das Weihnachtsstück „Ochs und Esel“ das als Film gedreht und digital gezeigt wurde und vor allem der Podcast mit 16 Folgen erlaubte es dann doch dem Team, sich in die Stadt einzufinden. Dass die ihr angediente Chance der Digitalisierung leider an der fehlenden Vernetzung der Spielstätten scheitert, brachte Karin Becker mit Humor auf den Punkt.

Becker zeigte dann an drei Projekten exemplarisch auf, wie sich das Theater mit und in der Stadt vernetzt: Das Projekt „Phantasia“, bei dem zehn Grundschulklassen gemeinsam mit dem Ensemble den Demokratiebegriff praktisch erforschten, der aktuellen Inszenierung :innen, einer Stadtvermessung aus feministischer Perspektive, und dem kommenden Stück „In einem Boot“, das sich mit Inklusion befasst und vom Land mit 50.000 € gefördert wird.

Die Bedeutung des Theaters begründet Becker damit, dass Theater Geschichten erzählt und dass Geschichten der „Klebstoff der Gesellschaft“ seien. Theater könne diese Geschichten reflektieren und dafür sorgen, dass keine einengenden, vereinfachenden Narrative bestimmend werden. Hier kam sie auch auf die aktuelle Haushaltsdebatte zu sprechen und darauf, wie einfache Zuspitzungen, wie „Sport oder Kultur“, polarisieren.

Zum Abschluss ihres Vortrags zitierte sie aus einem Vortrag der litauischen Theatermacherin, Autorin und Dramaturgin Edit Kaldor. Was man einmal gesehen habe, könne man nicht mehr ungesehen machen. Aber man könne es neu sehen, reflektieren. „Theater ist ein Apparat, der es uns ermöglicht, Dinge neu zu sehen, neu zu bewerten, und zwar gemeinsam“. Das verband sie mit dem Motto der Spielzeit: Wer entscheidet Zukunft? Nämlich wir alle gemeinsam, war die unausgesprochene Hoffnung.

Aleida Assmann begann ihren Vortrag mit einem Zitat von Rousseau, der in einem Brief an d’Lambert vier Gründe nennt, warum man Theater nicht benötige: Erstens, Theater ist Zeitvergeudung, zweitens fördert es die Prunksucht, drittens gefährde es den Grundsatz der Trennung der Geschlechter und viertens, fördere es die Einsamkeit. Das nahm sie dann als Steilvorlage, um zu jedem Punkt das genaue Gegenteil zu verkünden und zu begründen.

Theater sei nämlich keine Zeitverschwendung, sondern der Umstieg in eine andere Zeitordnung. Das Theater fördere nicht Prunksucht, sondern sei ein herausgehobener Anlass, den Tag zum Fest zu machen. Theater stelle Öffentlichkeit her und das sei gut so, unerlässlich für die Demokratie. Und schließlich sei man im Theater mit vielen anonymen anderen zusammen Teil eines größeren Ereignisses und mache gemeinsam mit Schauspielern und Zuschauern eine synchrone ästhetische Erfahrung.

Warum man Theater als Ereignis verstehen muss, erklärte Assmann im Fortgang ihres Vortrags. Wenn die Aufmerksamkeit des Publikums verloren geht, bricht die Theateraufführung in sich zusammen. Sie erläuterte das an einem persönlichen Erlebnis, als sie einer Vorführung beiwohnte, einer Ein-Personen-Aufführung von Fräulein Else von Arthur Schnitzler. Lebhaft erzählte sie, wie ein Handy-Klingelton die Schauspielerin aus dem Konzept brachte und diese die Aufführung abbrach. (Später ging es dann doch noch weiter.)

Im Hauptteil ihrer Ausführungen legte Assmann dar, dass der Zuschauer mit dem Ticket den Eintritt in eine andere Welt kauft. Es ist wie der magische Kreis, den der Zauberer auf den Boden zeichnet. In diesem Kreist herrschen seine Gesetze. Regisseur und Dramaturg stehen dann auf einer ähnlichen Stufe wie Zauberer, Zukunftsdeuter und Opferpriester. Als Quelle dieser Überlegung nannte sie den niederländischen Philosophen Johann Huizinga.

Wenn die Theateraufführung beendet ist, bleibt nichts von ihr übrig, sie gehört darum, noch viel mehr als Literatur, zum immateriellen Kulturerbe, wie es die UNESCO 2003 definiert hat. Assmann schloss mit dem Spruch „Leave not a rack behind“. (Das Wort Rack heißt Bühnengestell.)

In der anschließenden Diskussion hatte Johannes Bruggaier die schwierige Aufgabe, die doch sehr unterschiedlichen Gedankenketten, die die Vortragenden entworfen hatten, zusammenzubringen. Er wollte zuerst von Karin Becker wissen, was sie zu den Kritikpunkten von Christian Gampert sagen würde. Becker hob darauf ab, dass Theater nicht von abstrakten Ideen angetrieben wird, sondern von Personen, die in den gesellschaftlichen Fragen einen Standpunkt haben und die würden in der Inszenierung diskutiert und würden so letztlich auf die Bühne finden.

Christian Gampert wurde von Bruggaier mit der Frage konfrontiert, ob er nicht fürchte, sich auf der falschen Seite der Geschichte wiederzufinden. Die von ihm hochgehaltenen Recken der alten Linken in den 68ern wären seinerzeit von konservativer Seite zurückgewiesen worden, und seine, also Gamperts Kritik, käme ja heute auch von konservativer Seite. Gampert entgegnete, dass seine Kritik nicht von konservativer Seite käme, er sieht sich selbst in einer extrem linken Tradition. Seine Einwände richteten sich gegen ein Theater der vorgefertigten Standpunkte, die nicht offen seien für neue Erfahrung.

Den Ball griff nun Bruggaier wieder auf und fragte Ulrich Khuon, ob es nicht stimme, dass sich die Theaterleute in einer Blase befänden. Khuon gab darauf eine längere Erwiderung, die im Kern darauf hinauslief, dass es immer auf die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen ankommt. Gerade ein Stadttheater habe die Möglichkeit, sich mit dem Stadtgeschehen rückzukoppeln und so aus der Blase herauszutreten.

Das Stichwort „Erfahrungen“ griff Bruggaier bei seiner nächsten Frage auf, die er an Aleida Assmann richtete, denn sie sei Expertin für Erinnerungskultur. Die Frage lief auf die unterschiedlichen Erinnerungen des Publikums und der Schauspieler hinaus. Assmann verspürte aber keine Lust, sich in ihre „Erinnerungsblase“ schieben zu lassen, viel lieber wollte sie sich in das bisher Gesagte einbringen. Sie griff den Begriff Neugier und Haltung zur Neugier auf, die Khuon zuvor ins Spiel gebracht hatte. Die Bereitschaft, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, war ihr sehr wichtig. Sie finde auch die Unterscheidung zwischen links und rechts viel weniger wichtig als die zwischen Alt und Jung, und erzählte, wie viel sie zur Zeit von den Gesprächen mit ihren Enkeln lerne. Dann ging sie noch auch den Begriff Minderheitentheater ein und sagte, dass sie erschrocken sei über den Begriff, denn sie habe Demokratie immer so verstanden, dass sie nicht die Mehrheitsherrschaft über Minderheiten sei, sondern dass sich Minderheiten in diese Demokratie einbringen könnten.

Johannes Bruggaier öffnete nun den Dialog mit dem Publikum. Die erste Frage bezog sich auf die Konstanzer Inszenierung von Woyzeck und der Besetzung der Rollen der Hauptperson und des Hauptmanns mit zwei Frauen. Dies verhindere doch die erfolgreiche Identifizierung mit dem Geschehen im Stück und zerstöre damit das eigentliche Theatergeschehen.

Die Frage richtete sich explizit an die Theatermacher und Karin Becker antwortete zuerst. Sie konstatierte, dass es durchaus viel Kritik an der Inszenierung gegeben habe, aber auch viel Zuspruch. Sie erzählte von den vielen Diskussionen im Team während der Vorbereitung und dass der Wunsch bestand, das mal auszuprobieren, um zu sehen, was das mit der Figur Woyzeck machen würde. Allerdings räumte sie ein, dass sie die Inszenierung im Nachhinein skeptisch sehen würde.

Weil der Fragende nicht mit der Antwort zufrieden schien, ergriff Ulrich Khuon das Wort. Er betonte zunächst, dass es beim Zuschauer immer Vorerwartungen an eine Figur gebe, die von dem konkreten Schauspieler häufig nicht getroffen wird, ganz unabhängig von der Geschlechterfrage. Oft geht es bei der gegengeschlechtlichen Besetzung um eine Deutungsfrage, wenn beispielsweise der Gerichtsrat Walter im zerbrochenen Krug mit einer jungen Frau besetzt würde. Er berichtet dann aus seiner Erfahrung, dass die meisten interessanten Rollen in historischen Stücken für Männer geschrieben seien und oft Schauspielerinnen zu ihm kämen und klagten, dass sie nicht schon wieder eine verschmähte Liebende spielen wollten.

Es kam dann die explizite Frage an Christian Gampert, was für ihn das Wichtige an Theater sei. Dazu konnte er nur wiederholen, was er in seinem Vortrag angedeutet hatte, dass nämlich der Schauspieler und seine Können den Kern einer Aufführung sein sollten. Er ergänzte er noch zur gegengeschlechtlichen Besetzung, dass dann kein Problem sei, wenn die Schauspieler das könnten, aber das sei meist das Problem. Und weil er schon dabei war, ergänzte er noch, dass die von ihm in seiner Rede gegeißelten Probleme nicht nur an den jeweiligen Intendanzen und Regisseuren liege, sondern auch bei den Kommissionen, die diese beriefen. Dabei erwähnte er die Berufung von Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann in Zürich.

Das wurde von Karin Becker gekontert. Die Berufungskommissionen wüssten doch, wen sie sich ans Land zögen. Als Beispiel nannte sie Barbara Mundel in München, die ihr jetzt viel kritisiertes Theater auch schon früher gemacht hatte. In der Folge ging es dann noch hin und her über die Frage, was genau im Zürich schief lief, insbesondere mit den Plänen für den Umbau des Theaters, den das Intendantenduo gefordert hatte.

Es folgte nun die Ausführung einer jungen Dame, die im nächsten Semester ihr Schauspielstudium in Zürich aufnehmen wird und sich darum drehte, ob und wie es ihr gelingen könnte, sich in den Betrieb einzufinden und diesen auch verändern zu können. Karin Becker lud die Dame unter großem Applaus zu sich aus und ermunterte sie damit, dass sich mittlerweile viel in den Theaterbetrieben verbessert habe.

Es meldete sich dann der Präsident der Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses Zürich und betonte, dass der Abriss vom Tisch sei und dass er hinter dem Intendantenduo stehe. Er war erfreut über die Gelegenheit, den zukünftigen Intendanten schon einmal kennenlernen zu können. Christian Gampert fragte zurück, warum es denn zur Nichtverlängerung gekommen sei, wenn doch alles in Butter sei.

Die Leiterin des Universitätstheaters wurde von Johannes Bruggaier als letzte für einen Redebeitrag zugelassen. Sie erklärte, dass es für die jungen Leute überhaupt kein Problem sei, Theaterrollen gegengeschlechtlich zu besetzen. Es gebe eher um ein grundsätzliches Problem mit der Diversität, dass sich auch im Publikum der aktuellen Veranstaltung spiegele.

Das abschließende Wort ergriff der Vereinsvorsitzende, Johannes Schacht und wies auf die Mitgliedsanträge hin, die auf den Sitzen ausgelegt waren. Erfreulicherweise wurde davon in etlichen Fällen Gebrauch gemacht.