pro.log: Konrad: Oder das Kind aus der Konservenbüchse

Der dritte pro.log in dieser Spielzeit war ein ganz besonderer: Kinder und Jugendliche drückten den Altersdurchschnitt des Publikums erheblich, der Jugendrat des Jungen Theaters scharte sich um dessen Leiterin Romana Lautner. Die Referentin, Dr. Manuela Müller-Windisch, outete sich gleich zu Beginn als begeisterte Pädagogin und Nöstlinger-Leserin und so war ihr Vortrag, der eher einer Performance mit Bild, Ton du Spiel glich, eine sehr lebendige Einführung in Christine Nöstlingers Welt. Diese Welt sei nie eine heile, idyllische, die Kinder müssen sich in ihr bewähren – mit Witz, Humor, Widerspenstigkeit. Sie sind frech, unangepasst oder müssen wie Konrad lernen, etwas weniger „brav“ zu sein, um zu sich selbst zu finden. Höhepunkt des „Vortrags“ war ein Interview mit Christine Nöstlinger, das Müller-Windisch führte. Das Smartphone am Ohr stellte sie der Autorin Fragen und eine deutlich österreichisch gefärbte Stimme antwortete und erzählte ausführlich über ihr Leben, ihr Schreiben, ihre Meinungen zu Kindern und Pädagogik. Das Rätsel wurde gelöst: Doris Happl, die frühere Chefdramaturgin, die nun wieder in Wien lebt, übernahm die Rolle der Christine Nöstlinger. Dank sei den Technikern, die dies ermöglichten.

Im Anschluss traten die Jugendbeiräte in Aktion und löcherten die Darsteller des Konrad (Jonas Petzold) und der frechen Kitti (Luise Harder) mit Fragen. Viel konnten diese beantworten, aber wie der lange Jonas in die Konservenbüchse kam, das wurde nicht verraten – das muss man einfach sehen, so wie man überhaupt dieses wunderbare Stück sehen muss.

Berichterstattung im Südkurier zur Haushaltsdebatte

Die Berichterstattung im Südkurier hat, besonders nachdem die Entscheidung im Gemeinderat gegen eine massive Mittelkürzung gefallen ist, einen stark polarisierenden Ton bekommen. Wir haben darum heute diesen Brief an den Leiter der Lokalredaktion geschickt.

Sehr geehrter Herr Rau!

Seit längerem verfolge ich Ihre Berichterstattung über das Theater im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte. Zuerst hatten Sie die Anliegen der Sportvereine gegen die Kultur in Ihr Blatt gebracht, wobei der mächtige Aufmarsch der Vereine mit ihren vielen Mitglieder vor dem Gemeinderat durchaus positiv konnotiert wurde. Dann waren es die Jugendlichen, deren Popkonzerte im Bodenseestadion gegen das Symphonieorchester gestellt wurden und nun beklagen Sie, dass eine Gruppe Kulturinteressierter sich gegen die Interessen aller nicht so eloquenten Gruppen durchgesetzt habe.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Sicht von Interessensgruppen, die gegeneinander antreten und sich miteinander vor den Verantwortlichen balgen, besser in Zeitungsartikel gegossen werden kann, als ein Aufgreifen der jeweils vorgebrachten Argumente. Wenn Sie beispielsweise die Stellungnahme der Theaterfreunde, des IBC und der Volksbühne lesen, werden sie an keiner Stelle finden, dass es darum geht, billige Eintrittskarten für Besserverdienende zu finanzieren. Dass Bürger auch dann für Kultur in unserer Stadt bezahlen, wenn sie diese nicht konsumieren, ist genauso richtig, wie, dass auch Bürger, die nicht ins Schwimmbad gehen, für dieses bezahlen. Auch Kinderlose bezahlen Schulen und Kindergärten, die Liste könnte beliebig erweitert werden. Man nennt das Gemeinwesen.

Gemeinderat und Stadt haben nicht die Aufgabe, Haltungsnoten im Gerangel von Interessengruppen zu vergeben, sondern herauszufinden, welche Investitionen unserem Gemeinwesen langfristig am meisten dienen. Und in diese Abwägung müssen alle Ausgaben auf den Tisch. Allein die Personalkosten unserer Verwaltung sind von 2015 bis heute von 49 auf 77 Millionen gestiegen, das wachsende Volumen von Beratungsverträgen ist da nicht eingerechnet. Der Haushaltsengpass ist kein Naturgesetz, sondern auch Ergebnis der Ausweitung der Aufgaben und Befugnisse der Verwaltung. Es wäre schön gewesen, wenn Sie im Rahmen der Debatte auch diesen Blickwinkel ähnlich intensiv verfolgt hätten.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Schacht

Vorsitzender der Theaterfreunde Konstanz e.V.
www.theaterfreunde-konstanz.de

pro.log zu „Kabale + Liebe“

Gut besucht war der Pro.log zu „Kabale und Liebe“ (Schiller) und „Kabale + Liebe“ (Juli Mahid Carly) am 29.10., obwohl ein Großteil des Publikums die vor allem für Schüler reservierte Aufführung noch nicht sehen konnte. Alle, die keinen der noch wenigen Plätze ergattern können, seien darauf verwiesen, dass das Stück im Frühjahr wieder aufgenommen wird.

Der sehr interessante Vortrag von Dr. Franz Schwarzbauer brachte uns Schillers Stück näher. Mit vier Zitaten von vier verschiedenen Interpreten eröffnete er den Vortrag und zeigte so, wie vielschichtig das Stück, wie vielschichtig und vom Zeitgeist abhängig aber auch die Interpretationen sind: Ist das Stück eine Abrechnung des jungen, rebellischen Autors mit der korrupten, verlogenen Adelsgesellschaft, die sämtliche Werte verrät? Oder eine mit den Zwängen der Standesgesellschaft, in der die Bürger sich anschicken, Werte wie „Ehre“, die früher dem Adel vorbehalten waren, zu übernehmen – allerdings ohne dessen Rechte? Ist es eine Kritik an den politischen und sozialen Zuständen, wo junge Männer als Soldaten verkauft werden, um den Fürsten ihr üppiges Leben zu ermöglichen? Oder ist es vor allem ein Stück über die Liebe, wie sie Ferdinand versteht: Liebe als Leidenschaft, die nichts daneben gelten lässt, die in ihrem Absolutheits- und Besitzanspruch in die Katastrophe, zum tragischen Ende führen muss?

Nach einem Ausflug in die Entstehungsgeschichte des Dramas geht Schwarzbauer anhand der drei für die Dramaturgie des Stückes so wichtigen Briefe (zwei von Luise, einer von Lady Milford) auf all diese Motive ein, zeigt dramaturgische Stärken, aber auch Schwächen dieses „wilden“ Stückes auf, das nicht den Zwängen der klassischen französischen Tragödie gehorcht, sondern das Leben, die Charaktere, die Gefühle in all ihren Widersprüchen, ihrem Chaos darstellen will. Durch Verweise auf Schillers Aufsatz über „Die Schaubühne als moralische Anstalt“ skizziert Schwarzbauer dessen Dramentheorie.

Nach diesem Vortrag stellte Renate Schwalb als Moderatorin die Frage, warum das Theater die „Überschreibung“ und nicht das Original gewählt hat und wie viel Schiller in dieser Überschreibung steckt. Daraus ergab sich ein spannendes Gespräch zwischen Sabrina Toyen, der Dramaturgin, Sarah Siri Lee König, die die Lou und Luise spielt, und dem Darsteller des Ferdi/ Ferdinand, Jasper Diedrichsen, dem Referenten und der Moderatorin. Motive Schillers werden übertragen auf Heutiges (statt Stände-, Klassengesellschaft, statt absoluter leidenschaftlicher Liebe, Aushandeln von Liebe?). Die Wucht der Schillerschen Sprache geht nicht verloren, wird immer wieder eingewoben in den modernen Text. Sprache, Musik, Gesang, Tanz (die Darstellenden zeigen sich wieder einmal als Multitalente) fügen sich zu einem Gesamten, das junges wie älteres Publikum in den Bann zieht. Die Moderatorin zitiert ihre 15-jährige Enkelin: „Oma, nachdem ich das Stück gesehen habe, habe ich Lust, in der Schule den Schiller zu lesen.“ Sie ist wohl nicht die Einzige, die so denkt.