Die Berichterstattung im Südkurier hat, besonders nachdem die Entscheidung im Gemeinderat gegen eine massive Mittelkürzung gefallen ist, einen stark polarisierenden Ton bekommen. Wir haben darum heute diesen Brief an den Leiter der Lokalredaktion geschickt.
Sehr geehrter Herr Rau!
Seit längerem verfolge ich Ihre Berichterstattung über das Theater im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte. Zuerst hatten Sie die Anliegen der Sportvereine gegen die Kultur in Ihr Blatt gebracht, wobei der mächtige Aufmarsch der Vereine mit ihren vielen Mitglieder vor dem Gemeinderat durchaus positiv konnotiert wurde. Dann waren es die Jugendlichen, deren Popkonzerte im Bodenseestadion gegen das Symphonieorchester gestellt wurden und nun beklagen Sie, dass eine Gruppe Kulturinteressierter sich gegen die Interessen aller nicht so eloquenten Gruppen durchgesetzt habe.
Ich kann mir vorstellen, dass diese Sicht von Interessensgruppen, die gegeneinander antreten und sich miteinander vor den Verantwortlichen balgen, besser in Zeitungsartikel gegossen werden kann, als ein Aufgreifen der jeweils vorgebrachten Argumente. Wenn Sie beispielsweise die Stellungnahme der Theaterfreunde, des IBC und der Volksbühne lesen, werden sie an keiner Stelle finden, dass es darum geht, billige Eintrittskarten für Besserverdienende zu finanzieren. Dass Bürger auch dann für Kultur in unserer Stadt bezahlen, wenn sie diese nicht konsumieren, ist genauso richtig, wie, dass auch Bürger, die nicht ins Schwimmbad gehen, für dieses bezahlen. Auch Kinderlose bezahlen Schulen und Kindergärten, die Liste könnte beliebig erweitert werden. Man nennt das Gemeinwesen.
Gemeinderat und Stadt haben nicht die Aufgabe, Haltungsnoten im Gerangel von Interessengruppen zu vergeben, sondern herauszufinden, welche Investitionen unserem Gemeinwesen langfristig am meisten dienen. Und in diese Abwägung müssen alle Ausgaben auf den Tisch. Allein die Personalkosten unserer Verwaltung sind von 2015 bis heute von 49 auf 77 Millionen gestiegen, das wachsende Volumen von Beratungsverträgen ist da nicht eingerechnet. Der Haushaltsengpass ist kein Naturgesetz, sondern auch Ergebnis der Ausweitung der Aufgaben und Befugnisse der Verwaltung. Es wäre schön gewesen, wenn Sie im Rahmen der Debatte auch diesen Blickwinkel ähnlich intensiv verfolgt hätten.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Schacht
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Vorsitzender der Theaterfreunde Konstanz e.V.
www.theaterfreunde-konstanz.de